Über mich


"Sobald Du Dir vertraust, sobald weißt Du zu leben."

Über dieses Zitat von Goethe muss ich immer wieder nachdenken, und ich glaube, dass er damit Recht hat. Bisher ist es mir noch nicht gelungen, diese Weisheit auf mein Leben anzuwenden und die Früchte einer derartigen Haltung zu genießen. Allerdings habe ich den Eindruck, dass ich mich beim Malen langsam, langsam auf mehr Vertrauen in mich und den kreativen Prozess einlassen kann, so dass ich - mit Verlaub - das Zitat heimlich für mich abwandele: "Sobald Du Dir vertraust, sobald weißt Du zu malen."

Es ist erstaunlich, auch für mich selbst, dass ich - kaum male ich  zwanzig Jahre - allmählich etwas gelassener werde, wenn ich den ersten Pinselstrich auf die leere Leinwand setze. Der innere Druck, auf jeden Fall ein "schönes" Bild malen zu müssen, lässt langsam nach. Ich kann die Geschichte, die mit jedem neuen Bild beginnt, mittlerweile als Abenteuer betrachten, das schon gut ausgehen wird. Guter Ausgang muss nicht unbedingt bedeuten, dass ich mit dem Endprodukt zufrieden bin, es kann auch bedeuten, dass ich merke, so, wie ich es mir vorgestellt habe, oder so, wie ich an die Sache herangegangen bin, funktioniert es nicht. Dann gibt es einen anderen Weg, eine andere Farbe, eine andere Technik, oder, wenn gar nichts geht, kommt vielleicht eine neue Bildidee dabei heraus.

Der Malprozess verläuft ja auch jeweils sehr unterschiedlich. Manchmal gelingt der "große Wurf" in für mich relativ kurzer Zeit, meistens muss ich aber doch mit dem Bild ringen, das Bild muss sozusagen reifen, manchmal muss ich es ruhen lassen, vielleicht sogar mehrere Monate, bis die "erlösende" Idee sich zeigt.

Erstaunlicherweise, wenn es gar nicht so gehen will, wie es mir gefällt, hilft manchmal die pure Wut und die innere Haltung: " Na, dann mache ich es jetzt eben kaputt", und siehe da: Wie Phönix aus der Asche entsteht genau der Effekt, den das Bild zur Fertigstellung braucht. Wenn es soweit ist, dass ich zu diesem  letzten "Akt der Verzweiflung" greife, denke ich oft an das Zitat der Schriftstellerin Helga M. Novak: "Manchmal aber befällt mich ein grenzenloser ( von mir verändert in gnadenloser) Mut". Und tatsächlich habe ich den Eindruck, dass es zum Malen wirklich oft Mut braucht, Mut den eigenen Impulsen bedingungslos zu folgen. Also versuche ich immer mehr, mich von den Konzepten, irgendwelchen anderen Vorlagen oder Vorgaben zu lösen und dem zu folgen, was sich im Moment des kreativen Gestaltens gerade zeigt. So lasse ich mich von dem inspirieren, was mir über den Weg läuft, von einer schönen Farbkombination in  der Natur oder in einem Foto, von der interessanten Form eines Alltagsgegenstandes, von einem bemerkenswerten Kontrast etc. 

 

So, und auf diesem Pfad der Entdeckung will ich weitermachen, und ich hoffe, dass ich auch noch mit neunzig Jahren, falls ich so alt werde, malen kann. (Für meine Nachkommen tut es mir Leid, weil die sich dann nach meinem Ableben mit meiner ganzen Hinterlassenschaft rumschlagen müssen).

 

Ein letzter Gedanke noch: Ich empfinde meinen jetzigen Lebensabschnitt nochmal wie eine erneute Horizonterweiterung. Meine erste große Horizonterweiterung hatte ich im Studium mit dem Eintritt in die Welt des Wissens bzw. der Wissenschaft, danach kam die lange aufregende Phase der beruflichen Tätigkeit und der Familiengründung.  Und nun, nach teilweise auch sehr schmerzlichen und harten Erfahrungen mit Erkrankung, Leid und Tod erlebe ich nochmal ein großes Lebensgeschenk: den Eintritt in die Welt der Schönheit, der Kreativität und der Inspiration. Dafür bin ich dem Himmel sehr dankbar, und mein Dank gilt an dieser Stelle auch zwei großartigen Künstlerinnen für die Unterweisung, die ich unter ihrer Ägide erfahren durfte: Da ist zuerst Birgit Fischer-Brieger, die in langen Jahren der künstlerischen Begleitung mit Geduld und Einfühlungsvermögen das künstlerische und technische Fundament für diesen Weg gelegt hat, und zum zweiten Angelika Biber, die mir zur Erweiterung meiner Ausdrucksmöglichkeiten verholfen hat und zu Neugier auf neue unbekannte Wege.